Destination Sehnsucht

Erst zwei Tage vorher haben wir unsere Lagoon 38 bei Sunsail in Marsh Harbour in Besitz genommen und schon längst haben wie die kalten Februartage in Europa vergessen. Es ist angenehm warm, nicht zu heiss, ideal fürs Inselhopping. Die Inselchen der Out Islands liegen wie eine Perlenkette am äusseren Rand der Little Abaco Bank, einer plateauähnlichen Erhöhung des Meeresbodens. Davor liegt das drittgrösste Korallenriff der Welt. Das gesamte Törngebiet innerhalb der Bank ist äusserst flach, eine Wassertiefe von über 4 Metern ist eine absolute Seltenheit. Selbst mit einem Kat muss man auf der Hut sein und besonders das Ein- und Auslaufen in die geschützten “Sounds” (Buchten) zeitlich genau terminieren. Zur geringen Wassertiefe kommt noch ein Tidenhub von knapp einem Meter dazu, fast alle Buchteingänge sind durch eine Art Schwelle geschützt, die sich bei Niedrigwasser nicht passieren lässt. Auch wir müssen nach unserem Badestopp wieder weiter, viel zu früh, wie unsere beiden Wasserratten meinen. Doch die nächste Low Tide steht an und so segeln wir nach Green Turtle Cay, wo wir uns für eine Übernachtung im White Sound im Norden oder Black Sound im Süden entscheiden müssen. Da gemäss Karte die Nordeinfahrt einen halben Fuss mehr Wasser bietet und weniger Zivilisation verspricht, entscheiden wir uns für diese Variante – eine Handbreit Wasser kann den Unterscheid ausmachen. Kaum im Sound angekommen, geht bereits die Sonne unter, fast augenblicklich wird es dunkel – typisch Karibik. Zum Glück haben wir uns rechtzeitig eine freie Ankerboje schnappen können. Nach dem Abendessen schläft der Wind ein, an Land sehen wir nur wenige Lichter, es ist wunderschön idyllisch, niemand von uns hat die geringste Lust, an Land zu gehen. Wir liegen auf dem Netz des Vorschiffes und schauen in die Sterne. Auf dem iPad nehmen die Sternkonstellationen bildliche Formen an, unsere Töchter sind beeindruckt und sehen den Nachthimmel von nun an mit ganz anderen Augen. Früh in die Koje (bei unserer Lagoon ein grosszügiges Doppelbett mit Panaoramfenster direkt aufs Wasser), früh wieder an Deck. Wir laufen mit der Tide aus und nehmen Nordwest-Kurs auf Manjack Cay. Um 8:15 Uhr beginnt auf VHF 68 die Plauderstunde der Abaco Cruiser-Gemeinschaft. Koordiniert von Patti Toler, geben die Aussenstationen der Inselwelt ihre Wetter- und Wellenmeldungen durch. Es sind Freiwillige, Frühpensionierte und Barbesitzer, die sich der Reihe nach melden und ihren Mikroklima-Status durchgeben. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie auch noch gleich Klatsch, News und Werbung für sich selbst mitliefern. Speziell bei der Nipper’s Strandbar scheint immer die Sonne zu scheinen, dieser Partyplace auf Great Guana Cay versprüht schon morgens nur allerfeinstes Karbikfeeling. Mein Liebling ist ein Herr mit dem Rufnamen “Sundog”. Mit einer theatralisch tiefen Stimme gibt er die Wellenhöhe bei der Whale Cay Durchfahrt an – oscarreif.

 

Der Wetterbereicht hört sich gar nicht gut an, eine Kaltfront aus Nordosten ist im Anmarsch. Wir sichten Manjack Cay schon vor uns, als ich schweren Herzens das Kommando zur Umkehr geben muss. Das bedeutet einen wichtige Vorentscheidung für unsere weitere Törnplanung. Der nördliche und südliche Teil der Out Islands ist auf der “Bank” unpassierbar, man muss um Inseln, Riffen und Untiefen herum ein paar Meilen in den Atlantischen Ozean hinein. Eigentlich kein Problem, doch nur bei ruhigem Wetter machbar. Beim Durchzug einer Störung brettert der Seegang vom Atlantik her mit voller Wucht durch die Passage. Der Meeresboden steigt hier abrupt und steil von 5’000 Metern auf die 3 Meter im Karibische Meeresteil an, bei Wind und Strömung ergibt das höchst unangenehme Wellenmuster. Folgt man der vorgegeben Zickzackkurs durchs Riff, ist man gezwungen, während ein paar Meilen im rechten Winkel zu diesen Brandungswellen fahren… mit einem breiten Karamaran kein wirkliches Vergnügen und auf Legerwall-Position nur etwas für Lebensmüde. Vor und nach der Whale-Cay-Passage muss man sich übrigens über Funk bei der Sunsail-Charterbasis an- und abmelden. Beim Briefing hatte ich noch über diese Massnahme gelächelt, doch dann selbst vor Ort mit Blick auf die “tricky” Durchfahrt habe ich volles Verständnis. Wir geniessen das Strandleben noch bis zum äussersten Zeitpunkt und sammeln Conch-Muscheln. Die Riesenmuschel ist so etwas wie das Grundnahrungsmittel der Out Islands, das Fleisch bekommt man gekocht, als Salat, gebraten oder frittiert. kehren dann durch durch den Atlantik-Channel zurück in den südlichen Teil. Mit unserem Wochenprogramm werden wir es wohl kaum noch schaffen, die Inselwelt im nördlichen Teil weiter zu erkunden, denn nach der ersten Störung soll kurz darauf noch eine weitere folgen. Für die einzige Hafennacht unseres Törns wählen wir Baker’s Bay aus. Auf der Karte sieht sie gut geschützt aus und sie liegt in angenehmer Reichweite. Denn hinter uns macht der Himmel zu, der Wind wird stärker und rasch bauen sich kurze, hohe Wellen auf. Flachwasser und Wind… das wird schnell unangenehm. Mit den ersten Regenschauern laufen wir in die neue Marina ein, Platz hat es jede Menge, ein Vorteil der Vorsaison. Servicefreundlich (und wohl weil sie nichts zu tun haben) kümmern sich vier Dockingboys um uns. Wir belegen nicht zu kurz, ein bisschen Leinen-Spielraum für die Tide muss man schon lassen. Die Marina gehört zum Baker’s Bay Golf & Ocean Komplex, alles sehr neu und sehr teuer. Dank einem 1989 eigens für Kreuzfahrtschiffe geschaffenem Kanal (Loggerhead Channel) schaffen es auch Superyachten hierher (und nicht weiter). Im Moment wartet nur die 60-Meter Feadship-Yacht “April Fool” auf die Sommersaison, sonst ist alles sehr ruhig und relaxed. Wir geniessen die Happy Hour an der Openair-Bar und verschieben uns dann ins Market-Restaurant, wo wir mit dem indischen Koch unser Menu besprechen. Mit einem Wein aus Neuseeland feiern wir unseren einzigen Hafentag, der uns am nächsten Morgen 124 Dollar kostet. Da wir aber während den gesamten Ferien nur noch zweimal 15 Dollar Bojengebühr berappen, hält sich der Budgetposten für die Liegekosten ganz im Rahmen.

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