Destination Sehnsucht

Man-O-War Cay. Auf Halbwindkurs rauschen wir am nächsten Morgen den Inseln entlang. Der Wind hat aufgefrischt, 25 Knoten mit Spitzen bis 30 lassen unsere Qiannu unter gerefften Segeln mit 6.5 Knoten durch die Abaco Sea rauschen. Vor der nächsten Insel hat man uns beim Briefing gewarnt: es gibt kein Alkohol zu kaufen, weder im Shop, noch im Dock & Dine Restaurant. Da unsere Bordbar aber noch über genug Reserven verfügt, können wir das Risiko eingehen. Auf Man-O-War regiert die Familie Albury. Einst aus England nach Amerika ausgewandert, verliessen sie 1748 die USA und liessen sich als “Loyalists” auf diesem abgelegenen Flecken nieder. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, alles ist klein und überschaubar, keiner kennt Hast, sondern nimmt sich Zeit für einen freundlichen Schwatz. Die Albury’s sind eine bis weit über die Bahamas bekannte Bootsbauer-Dynastie, sie betreiben zwei kleine Bootswerften, die Fähre zwischen Marsh Harbour, den Lebensmittelladen und ein Segelloft. Wir treffen den pensionierten Andy Albury vor seiner Werkstatt und wollen mehr über die Abaco Sailing Dinghys erfahren. Als er hört, dass wir aus Europa kommen und via London nach Nassau geflogen sind, taut er so richtig auf. Ein richiger Royalist, God save the Queen! Das gibt genug Stoff für einen eigenen Artikel! Als Souvenir kaufen wir ihm ein handgemachtes Halbmodell ab, in cash, no credit card… damit seine Frau nichts von seinem Taschengeld-Zustupf erfährt. Und schliesslich prangt ja die Queen als Staatsoberhaupt auf dem Bahamas-Dollar. Auf der Tender-Rückfahrt halten wir Ausschau nach den typischen Segel-Dinghys und den Albury Brothers Aussenbordern im Retro-Look und bekommen so manches schöne Objekt vor die Linse. Ein weiterer Pflichtbesuch ist das Segelloft der Witwe von Norman Albury. Wir fahren bequem mit unserem Tender vor und machen grosse Augen beim Betreten. Das Holzhaus auf Stelzen steht im türkisfarben Soundwasser und sieht aus wie aus dem Segelmärchen. Drei ältere Damen sitzen vor ihren ratternden Nähmaschinen und nähen… Taschen. Wenn keine Segel im Auftragsbuch stehen, fertigen sie Taschen, Rucksäcke und Necessaires aus Segeltuch, in vielen Farben und Formen. Sehr wahrscheinlich ist aus dem Lückenfüller-Job längst das lukrativere Business als die Segelmacherei geworden. Unsere Expansionspläne via Internet quittieren sie jedoch mit einem herzlichen Lachen: Internet? Email? Wer braucht denn das? Wenn jemand eine Albury-Tasche haben will, dann soll er gefälligst hier herkommen! Da wir schon mal da sind, decken wir uns ein und wählen Exemplare, die stolz das gestickte Markenzeichen von Norman Albury tragen. Unsere Töchter streicheln die zahlreich und friedlich schlafenden Katzen im und ums Sailloft und ich dränge zum Aufbruch.. die Tide ruft.

 

Leuchtturm-Bucht. Wie mir “Sharky” am Tresen der Nipper’s Bar erkärte, gibt es auf den Bahamas drei Jahreszeiten: “Last summer, this summer and next summer”. Leider haben wir kein Wetterglück und beschliessen, die nächste Kaltfront in der Elbow Cay in Hope Town abzuwettern. Ausserdem will ich mir dort unbedingt den rot-weiss gestreiften Bilderbuch-Leuchtturm ansehen. Als wir durch die schmale Einfahrt in die Bucht einlaufen, sehen wir, dass wir mit unserer Entscheidung nicht allein sind. Alle Bojen sind besetzt, Ankern ist verboten. Doch Skipperfrau erspäht ganz hinten noch eine freie… die sich aber nach Anfrage über Funk als reservierte Privatboje outet. Doch dann ist plötzlich noch eine Stimme auf der gleiche Frequenz: “Das müsste die Boje von Antares sein.” Und gleich schaltet sich eine dritte Stimme dazu: “Antares? Dann könnt ihr sie nehmen, die sind für drei Tage in der Werft!” Ein wirkliches “Citizen Band”, dieses Funkgerät! Kaum fünf Minuten später klopft es an der Bordwand. George vom Kat nebenan hat unser Manöver beobachtet und den Funkverkehr mitgehört. Er und seine Frau Betsy leben auf dem Schiff und pendeln zwischen Florida und Bahamas hin und her – je nach Jahreszeit. Er gibt uns gute Tips für die Besichtigung des Leuchtturms, der besten Bäckerei und dem besten Restaurant. Was will man mehr?

 

Ein Seesack voller Erinnerungen. Nach dem relaxten Auschecken sitzen wir noch im “Curly Tails” an der Bar und lassen die Highlights unserer Ferien Revue passieren: der Junkanoo-Karnelvalsumzug mit Goombay-Livemusik in Marsh Harbour, das 400kg-Thunfisch-Anglerglück der “The Reel McCoy” im Abaco Beach Resort Harbour, die vielen Begegnungen mit aufgestellten, freundlichen Bahamians (geben Sie sich schnell als Europäer zu erkennen, hier sind Touristen hauptsächtlich US-Amerikaner), Segeln und Baden im türkisblauen Wasser, Meeresschildkröten, der Leuchtturm von Hope Town… wir versprechen uns, wiederzukommen. Denn zu sehen gäbe es noch mehr: die Blue Holes im Süden, Kanufahren im Pelican Cay Land & Sea Nationalpark, die Wildpferde auf Great Abaco und und und. Eine Woche Abaco-Cruising ist eigentlich viel zu wenig, das nächste Mal werden wir doppelt so viel einplanen. Aber jetzt müssen wir Abaco-Fans erst Mal alle Conch-Muscheln unserer Töchter im Gepäck verstauen…

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