Vulkan voraus

Mit der Tricolore durch den Indischen Ozean

Als Zuckerbarone und Kaffeeplantagenbesitzer hat es so manch ein Kreole, wie die auf der Insel geborenen Réunionaisen heissen, in Paris zu Ruhm und Ehre gebracht. Noch heute trifft man auf die Anwesen der ruhmreichen Zeit. Genauso aber auch auf die Dörfer der Rebellen, die vom Landesinneren aus gegen Sklaverei und soziale Ungerechtigkeit au egehrt haben. Wer wo das Sagen hatte, lässt sich an den Namen der Ortschaften ablesen. Bergdörfer, die selbst heute noch nur zu Fuss zu erreichen sind, es sei denn man nimmt den Helikopter, tragen sie kreolische Namen wie Cilaos oder Salazie, oft auch in Verbindung mit einem Îlet, dem Inselchen, das die einsame Lage betont. Îlet à malheur, Grand Îlet, Îlet de Vidot heisst es in den grün umwucherten Berghängen des erloschenen Piton des Neiges. Rund um die Insel geht es dagegen eher heilig zu, da bemüht man gern Saint Josephe, Saint Pierre, Saint Denise, Saint Leu oder die heilige Rose. Sainte Rose, ein Hafen im Westen, unweit des noch aktiven Vulkans Piton de la Fournaise – ein Ausflug zu seinen Kratern und der wüstenartigen Steinlandschaft lohnt sich unbedingt, auch wenn man sonst eher auf dem Wasser unterwegs ist.

Ob man dabei Saint Rose anlaufen kann, hängt vom Tiefgang ab. Je nach Tide soll es hier zwischen drei und fünf Metern tief sein, im Durchschnitt so um die 4,50 Meter erzählen die Fischer, die neben den alten Kanonen auf ihre Kollegen warten.

Weiter nach Süden wird es noch einmal besonders eindrucksvoll, rau und wild – Im Südosten ergiesst sich das Lavagestein des noch aktiven Vulkans in den Ozean. Erste Farne und Moose setzen grüne Lichtpunkte ins Schwarz, während die weisse Gischt auf den dunklen Stein trifft. La Grand Brulé, die stark Verbrannte. Der Piton de la Fournaise, einer der aktivsten Vulkan weltweit, leckt hier von Zeit zu Zeit ins Meer.

Buchten gibt es kaum, geankert wird nicht, zu tief ist des Ozean, zu wild. Wer noch mehr Kunterbuntes und dabei vor allem ein friedvolles Kulturengemisch erleben möchte, macht dagegen in St. Pierre fest. In der „Hauptstadt des Südens“ liegt man beschaulich fast mitten in der Stadt, plaudert in der Moschee an der Hauptstrasse, lässt sich zum Gebet einladen und kauft anschliessend im gemeindeeigenen Kiosk ein paar leckerer Samoussas (gefüllte und frittierte Teigtaschen) oder Bouchons (gegarte Fleischklösschen), schlendert noch einmal vorbei am chinesischen Tempel, bewundert die filigranen Balkone der alten Villen, bummelt die Einkaufstrasse entlang und nimmt einen Drink im Café de la Gare im alten Bahnhof. La Réunion Rund, allein oder im Regattafeld, denn natürlich steht auch eine solche Inselumrundung auf dem Regattaplan der sportiven Indik-Segler. Sind sie doch geprägt vom Mutterland, zumal die meisten Segler nicht hier geboren wurden, sondern zugereist sind. Die meisten allerdings bereits vor langer Zeit, sodass mit ihren Kindern die nächste Generation Creole heranwächst.

Die hat sich auch auf unserer „Noho“ eingefunden, ist heute am zweiten Wettfahrttag zum Strippenziehen mit an Bord oder dient als Ballast auf der Kante. Der wird auch gebraucht, fünf Beaufort aus Südost bei moderatem Seegang. Jeder hat seine eigene Taktik, mehr unter Land, auf den Cimetière marin, den bekannten Friedhof von Saint Paul direkt am Meer, zusteuern oder doch erst mal einen Schlag raus? An den Wendemarken wird gekämpft. Schnell wollen alle sein, auch wenn schon mal das ein oder andere Manöver nicht ganz so perfekt klappt, der Spi sich verdreht, das Gross nicht steht.

Zwischendurch Flaute, keine Wale in Sicht, dann endlich wieder Wind, noch ein Dreieck, perfekte Bedingungen, kurz bevor die hier so frühe Nacht hereinbricht mitten im Indischen Ozean.