Südkorsika

Es kommt noch schöner

Damit die weitere Beschreibung der Schoggiseiten von Kalliste (die “Schöne”, so nannten die Griechen Korsika) nicht monoton wird, gebe ich auch ein paar Enttäuschungen zu Protokoll. Die Bilderbuch-bucht der Rondinara hatte unsere hoch- geschraubten Erwartungen nicht erfüllt. Zu umtriebig, Zuvielisation, zuviele Strandbars – als ich das letzte Mal dort war, standen nur ein paar Kühe am Strand herum. Zugegeben, dass ist wirklich schon eine ganze Weile her… Plastik und Abfall in der Cala Giunco werfen einen Schatten auf die ansonsten tadellosen Iles Lavezzi. Der beste Ankerplatz, Cala Lazzarina im Süden der Insel, ist am Wochenende hoffnungslos überfüllt. Auch unter der Woche liegt man dicht an dicht, trotzdem findet ein “Local“ oder ein kreativer italienischer Skipper noch eine Liegemöglichkeit, die einem CCS-Ausbilder den Angstschweiss unter die Arme treiben würde. Wir erwischen für unsere Lavezzi-Nacht den Vollmond und messen abends mit dem Handlog 30 Centimeter mehr Wassertiefe, als wir bei unserer Ankunft ein paar Stunden vorher unter dem Kiel hatten. Frühmorgens haben wir die Strände dieser einzigartigen, unter naturschutz stehenden Insellandschaft ganz für uns. Bevor die Toristen mit den Ausflugsbooten ankommen, machen wir unsere Fischskulptur aus Schwemmholz fertig, streifen durch die Insel und schnuppern den Duft von Lavendel, Myrte, Ginster, und Thymian. Und wir gedenken den 773 Opfern des Schiffsunglücks des Dreimasters La Sémillante, die im Februar 1855 auf ihrer Reise zum Krimkrieg auf den südlichen Klippen strandete. Die wilden Lilien des Strandes haben längst Einzug in den ummauerten Friedhof gehalten und verschönern die Gräber der Soldaten, die nie an ihrem Einsatzort ankamen. Seltsames Schicksal, wenn man dem Tod schon früher begegnet als auf dem Schlachtfeld. Und die Krim-Halbinsel steht ja 160 Jahre später schon wieder im Brennpunkt.
Dass die Klippen selbst mit modernsten Navigationsmitteln immer noch eine Gefahr darstellen, hören wir zurück an Bord via Funk. Die Motoryacht “Look at me” setzt einen Notruf ab, sie sitzt auf den Felsen. Über den Leuchtturm Lavezzi wird die CrossMed alarmiert, die später den Havaristen in Sicherheit bringt.

Wir lichten wenig später den Anker und segeln Richtung Norden. Einkaufen ist angesagt, die Bordvorräte, speziell der korsische Rosé, gehen zur Neige. Auf der Privatinsel Cavallo, wo sich bereits die Römer ihre Granitsteine besorgten, wollen wir einkaufen gehen. Getreu unserem Motto “No harbour” steuern wir jedoch nicht die Marina an, sondern laufen die Cala Palma an der Ostseite der Nobelinsel an. Die Bucht ist von XXL-Villen gesäumt, die diskret versuchen, sich in der Landschaft und Vegetation wegzuducken. Per Dinghy geht es ans Land, nach einem kurzen Spaziergang betreten wir den kleinen Laden am Hafen. Das süsse Shoppingerlebnis wird durch die gesalzenen Preise etwas gedämpft, aber der Besitzer hat nur die Sommermonate, um Kasse zu machen. Auch kämen die Insel-Vips wie Caroline von Monaco fast nie persönlich zum Einkaufen vorbei und wer weiss, wer sich seinen Proviant sogar via Privatflugzeug einfliegen lässt. Denn die einzig bewohnte Insel des Archipels verfügt auch über eine Landepiste. Bei der Weinauswahl lasse ich mich vom Chef beraten, er hat viel Zeit und plaudert gerne. Er zerstört auch den Mythos der Eselssalami, die so typisch für Korsika sein soll. Alles nur die Schuld von Astérix und Obelix. Dort sei sie als korsisches Klischee aufgetaucht und halte sich jetzt hartnäckig wie eine urbane Legende. Esel seien in Korsikas unwegsamem Gelände als Transportmittel immer besonders wertvoll gewesen – viel zu wichtig, als sie zu Dauerwurst zu verarbeiten. Auch bei vielen Produits Corse sei Vorsicht zu geniessen – das Meiste würde speziell für die runde Millionen Touristen hergestellt – in modernen Industriebetrieben irgendwo “sur le continent”.