Müllsammeln auf Spitzbergen

Langsam schiebt sich die Ortelius durch eisschollen immer weiter nach Norden, Der 80. Breitengard liegt schon lange achteraus. Ihr Ziel ist das Packeis. Es ist spät, die Sonne steht hell am Himmel. Die Passagiere an Deck schützen ihre auge mit Sonnenbrillen vor der Helligkeit. Sie halten Ausschau nach dem festen, dicken Eis, das noch lasten tragen kann und jetzt im arktischen Sommer der Tierwelt als Jagdgebiet dient.

Die Suche nach dem Eisbären ist sozusagen die Belohnung, denn vorher wurde fleissig geputzt, an den Küsten von Spitzbergen. Plastikteile, Folien, Tampen liegen an den Stränden. Der Golfstrom treibt unseren Zivilisationsmüll hoch hinauf in den noch unberührten Norden, spült ihn an die bis heute unbewohnten Küsten Spitzbergens. Und so heisst es aufräumen für die Passagiere der MS ‚Ortelius’, denn sie sind in einer ökologischwertvollen Mission unterwegs.

Dick anziehen, die bordeigenen superdichten und vor allem warmen Gummistiefel überstreifen, anschliessend der Griff zur Rettungsweste und schon geht es mit den wendigen Zodiaks an den Strand. Im Bug liegt das Gewehr des Guides, denn das hier ist Bärenland. „Wir sind hier nur zu Besuch, der Bär war vor uns da und wir dringen in sein Territorium ein“, hat Jim Mayer, leiter des Expeditionsteams an Bord, uns ein paar Tage zuvor in Longyearbyen noch auf den Landfall vorbereitet. „Wir weichen aus und nicht der Bär. Die Gewehre sind nur für den absoluten Notfall da. Keiner von uns will wirklich schiessen“, wiederholt er sein Credo immer wieder. Rückzug ist die Devise, falls sich ein Bär nähern sollte, dafür will er die Passagiere sensibilisieren. Und nicht nur dafür. Ein solcher Törn, auch mit einem kleinen, übersichtlichen Passagierschiff der Eisklasse A1, es sind gerade einmal 100 Gäste an Bord, ist ein Naturtörn. Lange landausflüge in kleinen Gruppen stehen neben den Müllsammelaktionen und vielen vorträgen beinahe jeden Tag auf dem Programm, solange es Wetter und Bären zulassen. In Vingohamna auf der kleinen Insel Danskøya vor der Nordwestecke Spitzbergens verhindert ein eisbär unsere erste aktion in Sachen Müll. Er steht auf einer schmalen landzunge, schaute ins Meer hinaus und scheint zu fragen, „was wollt ihr hier?“, und sich gleichzeitig nach einer passenden Robbe als Mittagsmalzeit umzusehen. Man kennt die Bärin. Auf ihrem Hinterschinken trägt sie die Nummer 74. Ihr Sendehalsband, über das wissenschaftler sie lange Zeit verfolgen konnten, hat sie im laufe der Jahre verloren. Sie hat das Packeis verpasst und das nicht zum ersten Mal, wissen die Expeditionsführer später an Bord zu berichten. Nun dient sie als Fotomotiv. Ein bisschen mager zwar, doch ganz gesund. Ihr Fressen tummelt sich irgendwo weit draussen auf dem Packeis.

Anker auf, zur nächsten Bucht. Wieder ausbooten und endlich geht es mit Gummihandschuhen bewaffnet an Land. Wo wir aufräumen dürfen, hat zuvor der Sysselmannen, der Gouverneur von Spitzbergen, bekannt gegeben. Zwei Gruppen werden den Müll einsammeln.