Corse sauvage

Die Küste mit Wüste. Am nächsten Tag nimmt der Wind gegen Mittag wieder zu. Wir brechen unseren Calvi-Bummel ab und legen von der Boje ab. Unsere Bojennachbarn beobachten uns kopfschüttelnd, beginnt es doch wie am Vortag zu blasen. Unter reduzierter Genua fliegt unsere Lagoon auf Vorwindkurs an der Nordküste vorbei, nur ab und zu bleibt sie in einer Welle sitzen und wird dann von der nachfolgenden Welle ziemlich unsanft angeschoben. Sant Ambrogio und der Hafen der Ile Rousse ziehen an Steuerbord vorbei. Mit jeder Meile nehmen Wind und Welle ab, sodass wir uns den Luxus erlauben können, sogar in der Bucht von Saleccia zu ankern. Dieser Traumstrand ist in der Tat filmreif – hier wurden die Landungsszenen des Films „Der längste Tag“ gedreht. Irgendwie seltsam sich vorzustellen, dass hier Robert Mitchum und Mitkämpfer die Landung in der Normandie simulierten. Hier ist einer der schönsten Plätze des „Désert des Agriates“, einer waschechten Wüste. Zwischen Cap Corse im Osten und der Balagne im Westen ankern wir inmitten von 40 Kilometer Küste mit angrenzender Wüste. Aber was für eine: der menschenleere Landstrich war einst die Kornkammer der Genuesen, das heisse, trockene Klima sorgte für reiche Ernte. Heute ist das Désert ein geschütztes Naturparadies, am Strand liegen Kühe faul im Sand, die Macchia bietet Hasen, Rebhühnern und Wildschweinen ein ideales Versteck, sodass nicht mal Obelix Jagdglück hätte. Dabei gab es einmal ganz andere Pläne. Von einer Atomversuchsanlage war die Rede, von einem riesigen Ferienkomplex mit Betonbungalows, Hotelclubs und einer riesigen Hafenanlage träumten die Investoren um die Bank Rothschild, die bereits einen Grossteil der lukrativen Grundstücke besass. Zum Glück kaufte das für den Landschaftsschutz verantwortliche Conservatoire du Littoral die Filetstücke am Meer wieder zurück und erliess strenge Gesetze. Beim Anblick der faszinierende Naturspektakels kann man ob solcher Projekte nur den Kopf schütteln. Naturbelassene und unverbaute Strände wie Saleccia, Malfaco und Loto sind einfach unbezahlbar.

San Fiurenzu. Umrundet man die Punta di Curza, kann man am Ende des gleichnamigen Golfes St-Florent ausmachen. Auch als das kleine St. Tropez von Korsika betitelt, soll die Marina im Sommer brechend voll sein. Jetzt in der ersten Juli-Woche bekommen wir aber noch problemlos einen Liegeplatz, unsere Lagoon braucht Wasser, mein Laptop Landstrom. Eine alte Festung der Republik Genua, darum ein malerisch angeordnetes Fischerdorf mit kleinen Restaurants und Lebensmittelläden wie aus alten Zeiten… kein Wunder ist St-Florent (oder San Fiurenzu wie es auf Korsisch genannt wird) ein beliebter Ferienort, der sich seinen unprätentiösen Charakter jedoch weitgehen erhalten hat. Laisser-faire und Dolce Vita haben sich hier in perfekter Kombination gefunden. Mit Flipflops ist man bereits entsprechend gekleidet, dazu noch ein Streifenshirt und fertig ist der Fiurenzo-Look. Etwas glamouröser soll es im August zu und her gehen, wenn die grossen italienischen Yachten Audienz haben. Abendessen auf der Piazza, Morgenessen am Quai und anschliessender Erkundungsbummel zwischen der Place des Portes und Place Doria – würden die umtriebigen Marinagehilfen nicht sachte nachfragen, man würde wohl erst abends auslaufen wollen. Nach Saleccia ist es ja nur ein Katzensprung und als wir in die Bucht einlaufen, ist ein berühmter Piratenkapität auch schon vor Ort: Johnny Depp’s unverwechselbare Yacht „Vajoliroja“ liegt vor Anker. Als auf der Sparrow-Yacht das Beiboot klar gemacht wird, kommt echtes Paparazzi-Feeling auf: ist er es oder ist er es nicht? Abends lichten wir den Anker und nehmen Kurs auf die Côte d’Azur. Noch stundenlang schickt uns das Revellata-Leuchtfeuer seinen Lichtgruss nach. Ciao Corsica… wir werden wiederkommen.

*Kalliste = die Schöne, so nannten die Griechen Korsika

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