Corse sauvage

Macchia und Musse. Wir umrunden die Pointe de la Revellata und machen gleich den ersten Stopp. Das Meer ist ruhig und so können wir problemlos unseren Anker vor der Grotte des Veaux Marins fallen lassen. Mit dem Beiboot erkunden wir die dunkle Grotte, nach einiger Zeit gewöhnen sich die Augen ans Dunkel, in den Lichtreflexionen sind an der Decke zahllose schlafende Fledermäuse zu erkennen. Der nächste Schlag bringt uns zu unserem Ankerplatz für die Nacht. Unser Wunschplatz – die geschütze Marine d’Elbo – liegt leider bereits im Scandola-Naturpark und darf nur als Tagesankerplatz benützt werden. So steuern wir die Anse de Focolare an, einer von dichter Macchia bewachsenen Felsenbucht mit bühnenreifer Bergkulisse. In der linken Ecke des Strandes ein schwaches Lichtlein aus dem Zelt eines Pärchens, das mit Seekajaks unterwegs ist – sonst nichts. Nach einem filmreifen Sonnenuntergang wird es langsam dunkel und die ganze Magie Korsikas wacht auf. Der Landwind streicht als würzige, warme Duftluft übers Deck. Wir erschnuppern Rosmarin, Myrthe und korsische Zistrosen. Das macht Appetit, unsere reiche Beute aus Calvis Spezialitätenläden kommt auf den Tisch: verschiedene Käsesorten, Salami, Trockenfleisch, Wildschweinschinken, Kräutersalz und frisches Brot. Kein Handynetz, also kein Stress mit Mails checken und Wetterdaten abrufen. Unsere Hoffnung liegt im stationären Hoch über der Insel und wir lauschen in der Koje den Tierlauten in der Bucht.

Felsen-Festival. Der nächste Tag ist ein typischer Mittelmeer-Sommertag. Das Meer präsentiert sich spiegelglatt, ideal für unsere heutige Absicht, ganz nahe an die rotbraunen Felsen des Scandola-Naturparks zu navigieren. Wir fahren innen zwischen dem Porri-Felsen durch und steuern anschliessend die Gargalu-Passage mit ihrem Leuchtturm an. Die Passage ist zwar 15 Meter breit, aber an der engsten Stelle kommt unser 7 Meter breiter Katamaran dramatisch nahe an die überspülten Unterwasserfelsen heran. Aber das transparente Wasser und unser Ausguck auf jedem Rumf machen die Durchfahrt möglich. Weiter geht es zwischen Cala di Ponte und Anse de Gattaghia mit der spektakulären Umrundung einer Felsnadel, um die ein natürlicher Kanal mit 10 Meter Wassertiefe führt. Unsere Film- und Fotokameras laufen heiss, die Farben und speziell die bizzaren und zerklüfteten Formen verleiten zur Fotoeuphorie – und machen aber auch klar, dass es hier richtig heftig zur Sache gehen kann, wenn Westwind angesagt ist. Noch erfreuen wir uns aber bester Sommerbedingungen und tuckern weiter zur nächsten Bucht. Die nächsten Tage verlaufen in wohliger und träger Ruhe, das Handynetzt kann sich nicht so richtig durchsetzen, wir wählen unsere Buchten nicht nach Schutzfunktion, sondern nach Badetauglichkeit. Wir lassen die grossen Golfs der Girolata und von Porto links liegen und gönnen uns erst nach Capu Rossu wieder einen Kontakt mit der Zivilisation – in Form einer malerischen Strandbar mit Korsenfahne. Als News erfahren wir, dass sich an der Fussball-Europameisterschaft Spanien gegen Frankreich durchgesetzt hat – aber so richtig interessieren tut uns das nicht.

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