Corse sauvage

Zweimal alle 10 Sekunden ein Lichtblitz – zum Greifen nah schickt der Revellata-Leuchtturm sein Kennungsfeuer übers aufgewühlte Meer. Schon seit zwei Stunden folgen wir dem leuchtenden Fingerzeig auf unserem Törn nach Korsika. Wir hatten am frühen Morgen St-Raphaël an der Côte d’Azur verlassen und in Begleitung von Delfinen und Walen mehr motort als gesegelt. Doch gegen Abend mit der Annäherung an Kalliste* hat der Wind deutlich zugenommen, wir haben bereits das 2. Reff auf unserer Lagoon 400 eingebunden. Unser Tagesziel Calvi liegt direkt neben der markanten Landspitze, doch eine direkte Ansteuerung ist bei diesem frischen Südwestwind nicht möglich, die Wellen rocken unseren Katamaran ganz schön durch. Also lieber etwas abfallen und auf die Landabdeckung warten. Als es ruhiger wird, können wir die zitadellenbewachte Stadt mit ihrer geschützten Rade problemlos ansteuern und die Segel bergen. In der Bucht ist ankern während der Saison verboten, dafür hat man ein grosses Bojenfeld ausgelegt, wir haben genug Auswahl. Unter der Festung findet gerade das Calvi Jazz Festival statt, beim verdienten Gang in die Koje erklingen die Schlussakorde der letzten Gruppe.

Calvi semper fidelis. Am Morgen weckt uns ein tiefes Brummen. Über unseren Köpfen dreht eine graue Militärmaschine ihre Runden und spuckt über dem Land eine ganze Serie von Fallschirmspringern aus. Es sind die Fremdenlegionäre des 2e Régiment Etranger de Parachutiste, die hier ihre morgendliche Ausbildung absolvieren. Kriegerisch ging es in Calvi immer schon zu und her, hier bauten die Genuesen die römische Siedlung Sinus Caesia zur militärischen Haupstadt aus. Bei der Belagerung durch de Engländer verlor der spätere Admiral Nelson sein linkes Auge und dabei wurde das mutmassliche Geburtshaus von Christoph Columbus zerstört. Geburtshaus? Auch Calvi behauptet, Geburtsstadt des berühmten Seefahrers zu sein, und am Hafen entdecken wir tatsächlich die Firma Colombo Lines, die Ausflüge zu den umliegenden Stränden anbietet. Weniger auf Spuren- als auf Souvenirjagd sind die Touristen, die sich in den schattigen Gässchen tummeln. Da auch viele Kreuzfahrtschiffe in der Bucht ankern, freuen sich die lokalen Etablissements über gute Verkaufszahlen. Meistens haben die Ladenbesitzer Doppeljobs, der nette Herr vom Shipchandler kümmert sich im Winter um sein Geschäft mit korsischen Spezialitäten im Hinterland, der ebenso nette Herr vom Sportgeschäft verdient nach dem Sommer sein Geld mit Kücheneinrichtungen. Wir laden unser Dinghy voll mit korsischen Spezialitäten, denn in den nächsten Tagen werden wir abseits vom Trubel unsere Insel geniessen.

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