Auf Muschel Mission in den Schären

Rötliche Farbtöne, dann leichtes Ocker, dahinter ein helles Grau, das wieder ins sanfte Rosa wechselt, dabei felsig, steinig, rund gewaschen, nicht spitz und kantig. So erhebt sich hier an der Westküste Schwedens die Landschaft aus dem heute ganz ruhigen Meer. Skagerrak und Kattegat kennt man auch anders, selbst hinter oder zwischen den Schären, die die Landschaft hier so einmalig machen.

Beinahe klischeehaft wirkt die Landschaft hier zwischen Göteborg und der südnorwegischen Grenze. Etwa so wie man sie aus schwedischen Bilderbüchern kennt oder aus farblich optimierten Imagebroschüren. Rotes Haus auf grauem Fels. Hier wird die retuschierte Wirklichkeit Realität, auch wenn der Fels gern in rosige Farbtöne abdriftet und die Häuser in Westschweden nicht alle unbedingt falunrot gestrichen werden. Steine soweit das Auge reicht, rund und riesig und irgendwie weich, trotz ihrer Massigkeit. Und so hart, dass man nicht gegen sie stossen sollte. Also Augen auf beim Schärensegeln. Allzu oft verstecken sich die Überbleibsel der Eiszeiten auch unterhalb der Wasseroberfläche. Ab- oder besser rundgeschliffen von der immensen Kraft der wandernden Eismassen auf Boote lauernd, die unbedacht durch den Schärengarten kreuzen.

So ist hier nicht immer der direkte Weg auch der richtige. Exakte Navigation ist unerlässlich, der Törn wird auch schnell zur praktischen Übung in anspruchsvollem Segeln. Wer auf Sicht fährt, sollte extrem gut Ausschau halten – auch unter Wasser, beziehungsweise die Färbung des Wassers genau beobachten. Also besser die Karte in die Hand nehmen oder hin und wieder einen Blick auf den Plotter werfen – es lohnt sich, genauso wie der Ausblick. Dann, wenn zum Beispiel wieder ein Segel hinter einem steinernen Hügel auftaucht und man sich fragt, wie das dahin gekommen sei oder besser, ob das auch irgendwo in der Nähe wieder heraus kommen könne. Denn das hiesse ja, dass sich auch für die eigene Yacht dort ein vielleicht ungeahntes Teilrevier befände.

Doch vielleicht lieber erst mal Segel runter, Motor an, Rückwärtsfahrt. Denn Vorsicht, in den Schären sollte man tunlichst nicht mit dem Heck anlegen. Es könnte schliesslich noch irgendwo ein Stein liegen und die Kombination Stein plus Ruder/Schraube klingt nach mehr als nur einem kleinen Kratzer. Also Heckanker werfen und Leine an Land, respektive an Fels. Das muss man einfach mal gemacht haben, Schärenanker zwischen die Steine klemmen oder einen Nagel in den Stein hauen (auch das soll möglich sein) beziehungsweise den vom Vorgänger nutzen und Leine festmachen. Vielleicht gibt es noch einen kleinen Busch, an den man das Boot festknoten kann. Doch sind die Aussenschären an der Westseite Schwedens meist kahl, was sie doppelt Segeln im Schärengarten ist auch kulinarisch ein Erlebnis eindrucksvoll macht. Besagten Busch oder gar einen Baum zu finden, bleibt entsprechend Glückssache. Dann endlich Heckanker auf Spannung und los – Segelpause und Bergsteiger spielen, die Schären wollen auch erwandert werden. Hoch oben steht man schliesslich mit sagenhaftem Blick aufs Inselgewirr oder aber auch knapp über Meereshöhe und somit mittendrin. Bei hohen Schären einfach mal auf den Hosenboden setzen und runterrutschen. Vielleicht hat ja gar nicht die Eiszeit fürs Steinemeer gesorgt, sondern der ein oder andere Riese, der sich hier einst seinen Spielplatz baute oder vielleicht mit etwas grösseren Steinen Ditschen spielte. Möglich wäre das! Trolle können es zumindest nicht gewesen sein. Da stimmt das Grössenverhältnis nicht ganz.

Im Hochsommer kann es eng werden in den schmalen Gewässern, wenn sich von Mitte Juni bis Ende Juli scheinbar ganz Schweden auf dem Wasser trifft. Da jeder siebte bis achte Schwede ein Boot sein Eigen nennt, kann man sich vorstellen, wie turbulent es während der Hauptsaison in den Häfen zugeht. Dazu noch die Norweger, die es über den Skagerrak nach Süden zieht, die Dänen, die mit Kurs Ost, Nordost ihre Nachbarn schon wegen des meist besseren Wetters aufsuchen und ein paar internationale Segler, da tummelt sich so einiges. Doch das gehört dazu, die Gemeinschaft, das Zusammensein, zum Beispiel beim gemeinsamen Heringsessen auf Klädesholmen an der Westküste von Tjörn. Die Mole der Insel des Herings verwandelt sich Anfang Juli am Sillens Dag, dem Tag des Herings, in ein Freiluftrestaurant mit meterlanger Tafel direkt vor den Liegeplätzen.

Während der langen Sommerabende, an denen die tief stehende Sonne die Landschaft anstrahlt und zum Leuchten bringt, herrscht nahezu mediterrane Stimmung im schwedischen Norden. Das Draussensein geniessen. Das Licht, die Wärme, die von den Felsen abgegeben wird, die Stimmung und die Lockerheit geben Kraft für den Winter, der dann auch die Einsamkeit ins Inselreich zurück kehren lässt. Und irgendwo erklingt ein Schifferklavier.

Bei rund 8000 Inseln und Inselchen zwischen Göteborg und der norwegischen Grenze, den darin versteckten Fischerdörfern oder Häfen, lässt sich auch während der Hochsaison immer noch irgendwo ein Plätzchen finden. Als Kontrastprogramm zum Hafenleben oder für das gemeinsame Grillerlebnis ein unberührter Ankerplatz – übrigens niemals ein Feuer direkt auf den Felsen machen, das mag der Schwede gar nicht. Zu gross ist die Gefahr, dass die Granitfelsen platzen, nein, nicht der ganze Fels, aber eben die Oberfläche.

Also unbedingt den Grill auspacken. Fisch auf den Rost, Rücken gegen den warmen Stein und einfach nur die Welt geniessen.

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